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Beitrag vom 17.01.2012
AVIVA-Update: PIP-Gründer Jean-Claude Mas zu vier Jahren Haft verurteilt - TÜV Rheinland sieht sich nicht in der Verantwortung
Britta Meyer, Sabine Reichelt
Aktuelle Infos für Frauen, die Silikonkissen des in Verruf geratenen Herstellers "Poly Implant Prothèse" (PIP) tragen. Nicht umsonst hat die französische Medizinproduktebehörde "Afssaps" und...
... das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zur Entfernung der Implantate geraten.
"Afssaps" hatte bereits Anfang 2010 bei einer Inspektion festgestellt, dass die meisten der PIP-Implantate nicht das gängige, extra zu diesem Zweck fabrizierte Silikongel enthalten, wie es die Firma in ihrer Dokumentation für ihre Produkte angegeben hatte, sondern stattdessen
mit einer vom Hersteller selbst angerührten Mischung gefüllt sind. Dieser Stoff besteht zwar aus Silikonen, erreicht jedoch nicht das Sicherheitsniveau eines für Brustimplantate zertifizierten Gels.
Frauen, die PIP-Implantate tragen, wurde empfohlen, alle sechs Monate eine klinische Untersuchung sowie eine Sonografie durchführen zu lassen und die Kissen bei dem geringsten Verdacht einer Beschädigung sofort entfernen zu lassen. Mittlerweile gingen die französischen Behörden noch einen Schritt weiter und forderten die etwa 30.000 in Frankreich betroffenen Frauen auf, ihre Implantate präventiv entfernen zu lassen: durch das mangelhafte PIP-Billigsilikon kann der Inhalt auch ohne direkte Risse im Implantat austreten.
Die Kissen seien daher vorsichtshalber zu entfernen, um einem unbemerkten "Ausschwitzen" von Silikon vorzubeugen. Dabei gilt, dass je länger die Implantate getragen werden, umso mehr des Gels durch die Hülle ins umliegende Gewebe gelangt, wo es zu Reizungen und Entzündungen führen kann: in Frankreich sind mittlerweile mehrere hundert derartige Fälle registriert. Bisher sind in Deutschland auch insgesamt 19 Fälle bekannt, in denen Kissen des Herstellers PIP im Körper der Trägerinnen gerissen sind.
Während Arzneimittel aufwändige Zulassungsbedingungen passieren müssen, um auf den europäischen Markt zu gelangen, benötigen Medizinprodukte, wie die fraglichen Implantate, nur eine CE-Kennzeichnung für Industriegüter, bevor die Hersteller ÄrztInnen und ChirurgInnen beliefern können. Dessen ungeachtet wird PIP inzwischen vorgeworfen,
den TÜV über die Qualität seiner Ware bewusst getäuscht zu haben.
PIP, der mittlerweile aufgelöst wurde und gegen den in ganz Europa zahlreiche Klagen eingereicht wurden, hatte weltweit über 400.000 Brustimplantate verkauft.
Mögliche GesundheitsrisikenNach den vorläufigen Erkenntnissen der Arbeitsgruppe des französischen Nationalen Krebsinstitutes (INCa) besteht für Trägerinnen eines PIP-Implantats
kein erhöhtes Risiko, an Brustkrebs zu erkranken. Die Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC) rät betroffenen Frauen daher in einer Stellungnahme
"zu einer Entfernung ohne Eile", weil sie ansonsten
"zukünftig mit einer Riss-Gefahr, der Gefahr einer falschen Sicherheit beim Bildgebungsverfahren sowie mit dem Risiko eines komplizierten erneuten Eingriffs leben müssen". Auch sei bisher nicht hinreichend bekannt, wie schädlich das minderwertige Silikongel langfristig für den Körper sei.
Was ist zu tun?Trägerinnen von Silikonkissen können sich zunächst anhand ihres
Implantatpasses vergewissern, ob sie Produkte der Firma
"Poly Implant Prothèse" tragen oder nicht. Die niederländischen Behörden teilten außerdem mit, dass die Brustimplantate M-Implants des Herstellers
"Rofil Medical Nederland B.V." mit der Modellbezeichnung IMGHC-TX, IMGHC-MX und IMGHC-LS mit den fraglichen PIP-Implantaten identisch sind.
Wer bezahlt die Entfernung der Kissen?Trägt eine Patientin Implantate, die im Zuge der Rekonstruktion nach einer Krebserkrankung eingesetzt wurden,
so tragen die gesetzlichen Krankenkassen die vollen Kosten ihrer Entfernung. Hat es sich um eine Brustvergrößerung aus rein ästhetischen Gründen, also um eine klassische "Schönheitsoperation" gehandelt, muss sie sich an Kosten beteiligen, die jedoch zum Teil immer noch von den Kassen übernommen werden.
Betroffenen Frauen, die sich juristischen Rat zu Finanzierung und Schadensersatz beschaffen wollen, rät die Rechtsanwältin und Notarin
Mechtild Düsing:
"Für die Frauen ist es wichtig, vor dem Gang zum Anwalt möglichst frühzeitig alle Daten zu sichern und Akteneinsicht in die eigenen Krankenakten zu nehmen. Hier hat jedeR PatientIn ein volles Auskunftsrecht, das sich aus § 810 BGB ergibt. Man kann die Einsichtsnahme vor Ort verlangen, aber gegen Kostenerstattung auch die Anfertigung von Kopien aller Krankenunterlagen, wie zum Beispiel OP-Protokolle, Behandlungsmethoden, eingesetzte Hilfsmittel, Ursprung und Lieferstelle des Implantats, verwendete Medikamente - also in die gesamte Dokumentation der Behandlung. Die Kostenpflicht für den Einsichtnehmenden ergibt sich aus § 811 BGB. Die ÄrztInnen sind auch verpflichtet alles zu dokumentieren - wenn das nicht geschieht, hat das eventuell eine Umkehr der Beweislast zur Folge."In Fragen der Finanzierung der nötigen Operationen sollen sie sich
nur an versierte FachanwältInnen für Sozialrecht wenden, für Fragen in Sachen Schadensersatz und Schmerzensgeld seien
ZivilrechtsanwältInnen und
FachanwältInnen für Medizinrecht zuständig, so Düsing weiter.
Die Assaps hat außerdem einen
Katalog mit Antworten zu den wichtigsten Fragen betroffener Frauen herausgegeben. Eine
deutsche Ãœbersetzung der Empfehlung des Krebsinstituts INCa finden Sie unter:
www.bfarm.deBei weiteren Fragen zu PIP- und Rofil-Brustimplantaten können sich ÄrztInnen und Patientinnen an das BürgerInnentelefon des Bundesministeriums für Gesundheit wenden:
01805/99 66 02 (Festpreis von 14 Cent/Min. aus den Festnetzen und maximal 42 Cent/Min. aus den Mobilfunknetzen).
Weitere Informationen finden Sie unter:Pressemitteilung des BfArM vom 06.01. 2012:
Entfernung der PIP- und Rofil-Brustimplantate als Vorsichtsmaßnahme empfohlenPressemitteilung des DGPRÄC vom 06.01. 2012:
Senologen, Gynäkologen & Plastische und Ästhetische Chirurgen fordern: Implantate vorsorglich entfernen und Konsequenzen ziehenStatement des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenkassen:
Wer zahlt das Auswechseln von schadhaften Brustimplantaten?TÃœV Rheinland zu MedienberichtenBfArM:
Deutsche Übersetzung des Frage-Antwort-Katalogs der französischen Behörde Afssaps für Trägerinnen von PIP-BrustimplantatenBfArM:
Vorschläge zum Verhalten gegenüber den Frauen, die PIP-Brustimplantate tragen: SachverständigengutachtenINTERPOL Red Notice for Jean-Claude Mas issued at request of Costa Rica unrelated to breast implants(Quellen: BfArM, DGPRÄC, Afssaps, TÜV Rheinland, GKV-Spitzenverband, Interpol)